Optische Täuschungen sind ein bekanntes Phänomen. Jeder von uns hat
damit schon zu tun gehabt: Du betrachtest ein Bild und bist völlig
sicher zu verstehen, was es zeigt. Du weißt natürlich bereits, dass
Deine Wahrnehmung Dir einen Streich spielt, Dir ist klar, dass Du etwas
betrachtest, das mit Absicht gestaltet wurde, um Dich hinters Licht zu
führen. Dennoch lassen sich die Automatismen des Gehirns kaum überwinden
– Du kannst erst wirklich akzeptieren, dass Deine Wahrnehmung „lügt“,
wenn jemand ein Lineal an die Abbildung legt und so eine andere, eher
vertrauenswürdige Größe ins Spiel bringt.
Während wir uns optischen Täuschungen oft bloß zu Unterhaltungszwecken
aussetzen, beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
mit ihnen, um das Verständnis der wahrnehmungspsychologischen
Hintergründe zu vertiefen. Aus welchen Gründen aber tut es ein Künstler
wie Peter Schloss?
Anders als bei den Vertretern der Op-Art geht es bei Schloss weniger um
die Faszination der optischen Phänomene selbst. Er vermischt Versionen
mehr oder minder bekannter optischer Täuschungen mit manipulierten
Doubletten, die sozusagen die Täuschung selbst nurmehr vortäuschen. Die
Frage, wieviel Wahrheit eigentlich in unserer Wahrnehmung steckt, wird
dadurch um eine neue Ebene erweitert. Neben den üblichen Kontext- und
Relationsaspekten von Figur und Grund rückt plötzlich der Einfluß von
Vorwissen auf den unmittelbaren Sehprozess in den Fokus – der Künstler
zwingt uns, unserem abstrakten Urteil über das optische Phänomen genauso
zu mißtrauen wie unserer Wahrnehmung. Wir können nicht mehr bloß das
Bild an sich betrachten, sondern müssen vielmehr das Sehen und das
Denken darüber gemeinsam beobachten, um zu verwertbaren Schlüssen über
das Wahrgenommene zu kommen.
Was Schloss uns anhand seines Verwirrspiels mit dem Sehsinn vor Augen
führt, beschränkt sich keineswegs auf optische Phänomene. Vielmehr
begegnet uns, was hier exemplarisch erlebbar wird auf allen Ebenen der
Wahrnehmung und der Kommunikation, und wir sind dem in unserer zunehmend
komplexer werdenden Welt immer stärker ausgesetzt: Wir greifen auf
allerlei Quellen zurück, um uns eine Wirklichkeit zu erklären, die wir
ohne Vorinformationen nicht sinnvoll einordnen könnten. Zu manchen haben
wir einen direkten Zugang – wie die eigenen Sinne – andere sind uns nur
indirekt vermittelt oder selektiert und aufbereitet durch zweite oder
dritte Hand verfügbar. Aber wie läßt sich sicherstellen, dass diese
Informationen zutreffen, und wie können wir prüfen, ob unser erlerntes
System, daraus ein kohärentes Bild zu destillieren, überhaupt korrekt ist?
Optical illusions are a well-known phenomenon. Everybody has already
dealt with this: you look at a picture and are completely sure you
understand what you see. Of course, you already know that your
perception plays a trick on you, you realize that you are looking at
something that has been deliberately designed to fool you. Nevertheless,
the brain's automatisms can hardly be overcome – you can only really
accept that your perception "lies" when someone puts a ruler on the
image and thus brings a different, more trustworthy size into play.
While we usually expose ourselves to optical illusions mostly for
entertainment purposes, scientists engage with them to deepen the
understanding of the psychological backgrounds of perception. But why
does an artist like Peter Schloss do it?
Unlike representatives of Op-Art, Schloss is less concerned with the
fascination of optical phenomena themselves. He mixes versions of more
or less well-known optical illusions with manipulated duplicates that
pretend, as it were, the deception itself. The question of how much
truth our perception actually transports is thereby extended to a new
level. In addition to the usual contextual and relational aspects of
figure and ground, the influence of prior knowledge on the immediate
process of seeing suddenly comes into focus - the artist compels us to
distrust our abstract judgment of the optical phenomenon as well as our
perception. We can no longer just look at the image itself, but rather
start to observe seeing and thinking together, in order to arrive at
meaningful conclusions about what we perceive.
What Schloss points out to us through playfully confusing our sense of
sight is by no means limited to optical phenomena. Rather, we encounter
what is experienced here on all levels of perception and communication,
and we are constantly exposed to such phenomena in our increasingly
complex world: we use all sorts of sources to help us gain an
understanding of a reality that without any prior information we could
not meaningfully classify. For some we have a direct access - like our
own senses - others are only mediated to us indirectly or selected and
prepared by second or third hand . But how can one ensure that this
information is accurate, and how can we verify that our learned system
of distilling a coherent picture from it is correct?