Die schwarz-weißen Tuschen auf Papier von Andrey Klassen zeigen geliebte Schurken, entrückte Held*innen, berauschte Momente der Einsamkeit, den Rummel und das Nichts, irgendwo zwischen Malerei und Zeichnung, gehalten in altmeisterlicher Disziplin gemischt mit lakonischer Komik.
Bei aller Verschiedenheit scheinen die Blätter doch eine zusammenhängende Landschaft zu beschreiben, wobei das verbindende Geheimnis unausgesprochen bleibt.
Die Geradlinigkeit der Erzählung löst sich im feinen Nebel der Tusche auf oder verläuft sich in geschwungenen Linien – Immer irgendwo zwischen den Grenzen und Kategorien.
Die Bilder der Ausstellung Zwet (Цвет, russisch für Farbe, aber auch für Blüte) laden uns genau in diesen assoziativen Freiraum ein, der im Zusammenspiel der gegensätzlichen Elemente entsteht.
Gerhard Richter sagte: „Ich mag alles was keinen Stil hat, denn Stil ist eine Gewalttat und ich bin kein Gewalttäter“, was in den 60ern seine Position kennzeichnete, eben zwischen der Figürlichkeit des sozialistischen Realismus und den abstrakten Bewegungen des Westens.
Dass Spiel mehr zählt als Stil, gilt auch für die Haltung Andrey Klassens, der 1984 in Irkutsk geboren wurde, sein Studium dort angefangen und in Dresden abgeschlossen hat, Richters Geburtsort.
Der Bereich zwischen Augen und Hand verläuft sich in Wolken und es ist nicht klar, was die Figur sieht, die uns auf dem Papier in Drunk Guy in a Cloudy Sky gegenüber steht – und genau so bleibt es offen, was genau wir sehen – die locker aus dem Handgelenk geschüttelte Linie, die den Mann mit Hut (Cowboy?) beschreibt, löst sich auf und zeigt uns, aus was sie gemacht ist: aus Tusche, Papier, Imagination und der Fähigkeit loszulassen.
(F. Bornstück, 05.01.2022)